6 Jahre war es mittlerweile her, dass sie aus Chicago weggezogen war und seitdem war sie nie länger als nur wenige Tage in der Stadt geblieben. Doch dieses mal sollte es anders laufen. Dies sollte kein Kontrollbesuch bei ihren Eltern werden, nur damit sie sahen, dass es ihrem kleinen Mädchen gut ging und sie wirklich in der großen bösen Welt mehr oder weniger alleine zurechtkam. Sie würde für einige Zeit in Chicago bleiben und früher oder später würde sie auf Nicolás treffen und früher wäre ihr lieber als später. So kam es, dass sie einige ihrer alten Freunde ausgefragt hatte, wo Nicolás den wohnen würde, da sie unbedingt mit ihm sprechen musste und wenig später stand sie dann vor der Tür, hinter der er wohnen musste. Sie hätte ihm ja auch einfach eine Nachricht schreiben oder anrufen können, aber sie bevorzugte schon immer den persönlichen Kontakt. Jegliche Schwierigkeiten hatten sie versucht von Angesicht zu Angesicht zu lösen und selbst als es keine Lösung mehr gab und die Trennung die einzige Möglichkeit blieb hatten sie es so gemacht. Nervosität stieg in ihr auf. Sie würde nun ihren Ex Verlobten wiedersehen. Sie stand vor seiner Tür und wusste doch gar nicht genau was sie sagen sollte, geschweige denn wie er darauf reagieren würde. Vielleicht würde er ihr die Tür vor der Nase zuschlagen, nachdem er wusste wer vor seiner Tür stand. Vielleicht würde er sie aber auch nur mit seinem strahlenden Lächeln angucken und sie hereinbitten, damit sie über alles reden konnten. Allmählich merkte sie wie schwitzig ihre Hände wurden, so wie es früher öfter vorgekommen war, wenn sie nervös wurde. Da konnte sie Jahrelang im Kriegsgebiet arbeiten, miterleben wie Menschen angeschossen werden, sterben und dann ist es grade dieser Moment indem sie schwitzige Hände bekommt? Vielleicht wollte ihr ihr Unterbewusstsein aber auch einfach nur klarmachen, dass sie noch nicht bereit dafür war. Womöglich brauchte sie einfach Zeit um sich innerlich darauf vorzubereiten. Aber was, wenn sie ihm morgen auf der Straße begegnen würde? Dann wäre sie noch weniger vorbreitet, als sie es jetzt schon wäre. Ein kurzer Moment indem sie dachte, dass dies hier die richtige Entscheidung war reichte aus um die Klingel zu betätigen. Der Moment ebbte jedoch schnell wieder ab und sie wünschte sich, sie hätte es nicht getan. Neben ihren schwitzigen Händen, spürte sie nun ihr Herz im Hals pulsieren. Was sollte sie jetzt tun? Weglaufen? Sich der Situation stellen? Sich ihre Kapuze weiter ins Gesicht ziehen, ihre Stimme verstellen und sagen sie hätte sich in der Haustür geirrt? Vielleicht hatte sie auch Glück und es war niemand da? Doch da hörte sie schon Schritte hinter der Haustür und zum Weglaufen war es nun auch viel zu spät. Ach verdammt, wird schon irgendwie schiefgehen. Schnell noch eine Haarsträhne hinters Ohr geschoben, als wenige Sekunden später auch schon die Tür aufging.