Wen interessiert denn schon das ganze Gelaber von Geburt, Kindergarten und Grundschule?
Ich meine, so ziemlich niemand, außer vielleicht der Gruselige Nachbar oder das Horrordate, gräbt so tief in deiner Vergangenheit und möchte wissen wie alt du warst, als dir deine Eltern keine Klettschuhe mehr gekauft haben.
Groß geworden bin ich aber in einer sehr Konservativen Familie. Meine Mutter hatte zwar eine Ausbildung gemacht, für sie war aber damals wie auch heute völlig klar das 'den-richtigen-Mann-finden' und eine große, gesunde Familie ihre Prioritäten sind. Mein Vater war also schon immer alleine dafür verantwortlich gewesen, die Familie zu ernähren. Meine Mutter hatte zwar zu beginn noch einen kleinen Job, den hatte sie aber aufgegeben als wir Kinder kamen. Unsere Familie war für mich und meine vier Geschwister das Paradebeispiel für eine funktionierende Familie, in einer Welt in der die meisten Kinder mit geschiedenen Eltern lebten.
Uns wurde früh schon eingebläut dass das Model das meine Eltern lebten, das einzige war, das Funktionierte und wir uns ja darauf Konzentrieren sollten, das es später mal für uns so laufen würde. Wir Mädchen sollten einen Mann finden, der dieses Leben auch leben wollte und die Jungs sollten die sein, die es anderen Frauen ermöglichten.
Wir lebten Mitten in den Alpen, nicht weit weg vom Königsee, in einem recht teuren, modernen Wohnviertel. Unser Haus war immer Gepflegt, von außen wie von innen. Von innen stets aufgeräumt, der Kühlschrank immer voll. Jeder Wunsch wurde den Kindern von den Augen abgelesen und im Handumdrehen erfüllt. Der Garten war versehen mit Spiel und Klettermöglichkeiten für uns Kinder, dazwischen tollte unser Familienhund, den wir von der Straße geholt hatten. Der Vorgarten war immer aufgeräumt, die beete immer Bepflanzt und die Auffahrt auf der unser Auto parkte, war immer gefegt. Unsere Mutter lebte in einer Märchenwelt, in der es Betrug und auf eigenen Beinen stehen müssen, nicht gab. Sie war immer die Nachbarin die jeden nett begrüßte, jeden neuen in der Nachbarschaft mit Salz und Brot willkommen hieß. Diese verklärte Sicht hatte sie auch an uns Kinder weiter gegeben, was den Abgrund vor unseren Füßen immer größer machte.
Ich besuchte gute Schulen und im Anschluss folgte meistens noch Privatunterricht, oder Musikstunden. In meiner Schulzeit lernte ich Freunde kennen, die anders lebten als wir, für mich gab es die Welt in der beide Eltern arbeiten gingen, oder sie gar getrennt lebten, einfach nicht. Durch meine beste Freundin aber, die als Scheidungskind bei ihrer Mutter lebte, änderte sich meine Sicht auf die Dinge um 180 grad. Wo ich vorher noch gedacht hatte ich müsste mir nie sorgen machen, kamen eigene Wünsche, Vorstellungen und vor allem die Realität ins Spiel. Ich hatte immer Gedacht die Welt wäre ein Ort ohne Gewalt, ohne Leid und ohne Sorgen. Das war das Bild, das ich zuhause vermittelt bekommen hatte. Dieses Bild wurde aber rücksichtslos von Mitschülern und Lehrern zerschlagen, sehr zu meinem wohl.
Für mich war klar, das Bild das ich Jahrelang vermittelt bekommen hatte, war Falsch. Ich fing an mich Ehrenamtlich zu engagieren, half im Örtlichen Tierheim, den Organisationen die Straßenhunde und Katzen versorgten, oder Müll sammeln, ich war mir nie für irgendwas zu schade - sehr zum Leidwesen meiner Mutter. Sie konnte nie wirklich nachvollziehen wieso ich mich so dafür Interessierte ein anderes Leben zu leben, als sie es mir vermittelt hatte. Mein Ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit kam immer mehr raus und ich besuchte mit Sechzehn mit meiner besten Freundin, auch die erste Demo in meinem Leben. Wir hatten für mehr Gleichheit unter den Geschlechtern demonstriert, in ein paar Ländern war und ist es - besonders in kleinen Gemeinden - leider oft noch gang und gäbe, das Frauen und Mädchen nicht die gleichen Chancen hatten, wie Jungen und Männer. Es folgten immer wieder weitere Demonstrationen; gegen Tierversuche, Tierquälerei auch bis hin zum Klimawandel, alles was unsere Behörden immer wieder leugneten oder herunter spielten.
Mit meinem voranschreitenden Alter ging es aber schließlich auch darum was ich in meinem Leben zukünftig machen wollte und mir war klar, das ich den Konservativen Lebensstil meiner Eltern nicht übernehmen wollte.
Meine Schule bot zum ersten mal ein Austauschprogramm an, für das sie einige Schüler für ein Jahr in andere Länder schickte. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass meine Mutter nicht sonderlich begeistert von meiner Idee gewesen war, dort teilzunehmen. Mit der hilfe meines Vaters allerdings stimmte sie schließlich auch zu und ich durfte mich einschreiben; gemeinsam mit meiner Besten Freundin und insgesamt 13 anderen Schülern. Da allerdings nur zwei wirklich vereisen durften, malte ich mir meine Chancen nicht wirklich groß aus. Schon wenige Tage später allerdings, wurde ich in einem Schulischen schreiben benachrichtigt, das ich für das Programm ausgesucht wurde; in Lakota Springs - South Dakota.
Für mich hieß es also; das allererste mal in meinem leben raus aus der Heimat und in ein völlig fremdes Land, zu völlig fremden Leuten. Mit der Familie die mich in der Zeit aufnehmen würde, hatte ich bereits früh Kontakt aufgenommen. Sie waren wirklich total süß, wollten so viel wie möglich von mir wissen um sich optimal auf mich vorbereiten zu können. Sie selbst hatten auch Kinder, sogar in meinem Alter. Für mich als Nesthäkchen, war es eine kleine Freude das ich endlich mal die Chance bekam eine Große Schwester zu sein. Der Abreisetag war schließlich der Achtzehnte Geburtstag von meinem Bruder; den ich nochmal ausgelassen mit meiner Familie gefeiert hatte, bevor ich für ein Jahr in der USA leben würde.
Die Ankunft am Flughafen, die Fahrt und Ankunft in mein neues Zuhause, war herzlich. Auch wenn ich ehrlich sein musste; ich kannte die kleine Stadt zwar aus erzählungen meiner Gastfamilie, aber wirklich dort zu sein war irgendwie doch nochmal anders. Ich tat mir in den ersten Wochen unheimlich schwer Fuß zu fassen, mit den Schülern und der Schule an sich warm zu werden. Das Bildungssystem unterschied sich doch irgendwie total von dem in Deutschland und auch die Leute die hier zur Schule gingen, waren bei weitem nicht so Freundlich wie meine Klassenkameraden. Der Gedanke daran das ich hier ein Jahr verbringen musste, drehte mir den Magen um. Früh schon fing ich an meine Familie und Heimat zu vermissen, obwohl wir nahezu jeden Tag mal Telefonierten oder Skype Unterhaltungen führten.
Es hatte eine weile gedauert, bis ich wirklich mit ein paar Schülern warm geworden war, die mich in ihren Freundeskreis aufgenommen hatten und mir wenigstens ein kleines bisschen das Gefühl gegeben hatten, keine aussätzige zu sein. Es war nicht so als hätte ich mich daran gestört alleine zu sitzen, oder zu essen, aber für mich als Extrovertierte und absolut offene Person war es Schlussendlich doch eine Erleichterung und hatte mir die Chance gegeben wirklich auf zu blühen.
An den Abend des Unwetters erinnerte ich mich allerdings nur sehr Wage, mir war nur am nächsten Morgen aufgefallen das ich völlig alleine im Haus war. Die beiden Mädchen, wie auch meine Austauscheltern waren verschwunden. Immerhin waren wir sonst auch immer gemeinsam wach geworden, gerade am Wochenende wenn gemeinsames Frühstück anstand. Die Sorge wuchs, das war so gar nicht das was ich von ihnen kannte. Als ich einen meiner Freunde kontaktierte, sagte mir dieser ich solle mich entspannen. Seine Eltern waren auch weg, vermutlich waren sie nur unterwegs zum Einkaufen oder so und hatten vergessen bescheid zu sagen. Ich musste dazu aber auch zu geben, das ich am Vortag meinen Achtzehnten Geburtstag gefeiert hatte und an dem Tag länger geschlafen hatte, als gewöhnlich. Schließlich malte ich mir aus das sie mich sicher nur nicht wecken wollten und unterwegs waren. Ich legte mich also nachdem ich mir ein eigenes Frühstück gemacht hatte, zurück in mein Bett und beschloss etwas zu lesen bis sie wieder kommen würden. Als dies allerdings selbst später am Tag nicht der Fall war, fand ich mich nach einer weiteren Nachricht mit allen anderen, in der Turnhalle der Schule ein um zu besprechen was passiert war. Als auch an den folgenden Tagen keiner der Erwachsenen den Anschein machte wieder zurück zu kehren, wuchs der Unmut immer weiter und schließlich stellte sich Dragan Castro zum Anführer auf, um das Zusammenleben fort an irgendwie zu ordnen. Die Angst in mir, ich könnte nicht mehr heim, wurde von Tag zu Tag schlimmer, immerhin konnte ich meine Familie in Deutschland nicht kontaktieren, auf keine weise. Als wir schließlich auch aus den Häusern geholt und neu verteilt wurden, wurde die Panik in mir nur noch schlimmer.
Die folgenden Tage waren.. naja, durchwachsen und irgendwie, komisch. Die Gewalttätigen Ausschreitungen und die Tode allerdings, waren schließlich die Spitze des ganzen. Spätestens jetzt hatten alle Verstanden, dass das hier kein Spaß mehr war, sondern absolut ernst.
Als wäre das nicht schon Chaotisch genug, tauchten schließlich die beiden vermissten Schüler wieder auf und im zuge dessen, wurde ein anderer Schüler in dem örtlichen Polizeirevier festgehalten, bis er ein Urteil für sein handeln erfuhr. Eine Geiselnahme, das verschwinden eines anderen Schülers und viele weitere Ereignisse machten den Anschein als würde die kleine Stadt allmählich in Chaos und Gewalt unter gehen.