Diesmal hatte es Otis wirklich verbockt. Und zwar so richtig und er konnte sich nicht mal im Ansatz vorstellen, was nun auf ihn zu kam. Dieser Kerl, von dem er am Anfang nicht mal gewusst hatte, wer er war, hatte seine Spuren an Otis' Kehle und seiner Brust hinterlassen. Dieses T auf seiner Brust brannte wie Feuer, doch er versuchte dies zu ignorieren. Otis war nicht dumm und er wusste, dass noch mehr auf ihn zukommen würde, wie das. Aber was sollte er tun? Abhauen, wie ein Feigling? Sicher nicht. Er würde die Konsequenzen auf sich nehmen und daraus lernen. Egal, was seine Brüder mit ihm anstellen würden, er hatte es verdient und würde es mit Würde auf sich nehmen. Hier in der richtigen Welt, wie es Vadim ausgedrückt hatte, kam er einfach nicht mit klar, seine große Klappe zu halten und einfach abzunicken.
In seinem Kopf wollte er stark und unnahbar sein, und so keinem eine Schande machen, in dem er weich wirkte. Doch diese Schüsse gingen nur nach hinten los und er brachte mehr Schande über alle, als er wollte. Jetzt sah er endlich ein, dass er mehr lernen musste, doch jetzt war es auch einfach nur zu spät. Er wusste, was Dimitrij Zyrianov gesprochen hatte. Er war am Arsch und er würde keine Hilfe oder Schutz bekommen, so viel war sicher. Er war wohl auf sich allein gestellt, die Suppe auszulöffeln, die er sich eingebrockt hatte. Aber er würde es tun, er würde es einfach tun...
Und so ging er, wie ein geprügelter Hund oder besser gesagt, wie ein Schaf zur Schlachtbank, zu allem bereit, was man ihm antun würde.
Doch, als er am Anwesen ankam, wurde ihm bewusst, dass, das was man mit ihm vorhatte nichts mit dem zu tun hatte, was er sich anfangs ausgemalt hatte. So, wie er war, wurde Otis in diesen kleinen „Bunker“ geworfen und dort zurück gelassen. Allein mit sich und den Dingen, die er getan hatte. Kein Schrei kam in den, waren es mittlerweile Tagen, aus seinem Mund. Der Hunger war auszuhalten, doch der Durst war mehr als unangenehm. Den Geruch hier unten vergaß man mit der Zeit, doch die Dunkelheit und Stille waren mehr, als der Junge aushalten konnte. Er hielt sich an seiner Medaille des heiligen Nikolaus von Myra, welche er zu seinem 15. Geburtstag bekommen hatte. Doch Beten half ihm nach einiger Zeit nicht mehr.
So fing er an, das zu murmeln und zu wiederholen, was man ihm in der Akademie eingebläut hatte... die Grundsätze, immer und immer wieder. So fand man ihn auch vor, als das Licht direkt in sein Gesicht viel, als man den Deckel öffnete. Otis sah hoch und in seinem Gesicht, welches nur dreckig war, sah man die mentalen Strapazen, der letzten Tage. Seine Lippen waren spröde, sein weißblondes Haar hatte fast seine Naturhaarfarbe erlangt, durch den Dreck und seine Augen umrundeten dunkle Ringe. Er sah nur nach oben, und sprach kein Wort, was womöglich eh nicht gelingen würde, da seine Kehle staubtrocken war.
Dann schien mehr Licht in den dunklen Brunnen und Otis musste wegsehen, da das Licht in seinen Augen wehtat. Die Worte vernahm er, wenn auch nur durch Watte, aber er vernahm sie. Er sah erst wieder auf, als er merkte, dass etwas im Loch gelandet war... ein Seil... er sah auf und in dem Moment sammelte er die allerletzte Kraft, die er noch in sich hatte, was nicht mehr fiel war. Zögerlich ergriff er dieses und zog sich damit erst einmal auf die Beine, welche durch das Sitzen schmerzten, die er aber zum Hochklettern benötigte. Langsam und schwerfällig, da ihm die Kraft wirklich fehlte, versuchte er sich an dem Seil empor zu ziehen. Die ersten Versuchen blieben ohne Erfolg, doch dann riss er sich zusammen und kletterte im Schneckentempo nach oben. Seine Knochen brannten, ebenso wie seine Kehle, doch er würde nicht aufgeben... die letzten paar Zentimeter waren in Sicht und er griff nach dem Rand des Brunnens und mit allerletzter Kraft zog er sich ächzend an die Oberfläche, wo er halbtot auf dem Rücken liegen blieb.